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Tarifvertragliche Regelung zu sachgrundloser Befristung
26.10.2016. Viele Arbeitgeber schließen bei der Neueinstellung von Arbeitnehmern befristete Arbeitsverträge ab. Rechtsgrundlage dafür ist § 14 Abs.2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Die hierdurch gegebenen Möglichkeiten einer sog. sachgrundlosen Befristung (bis zu zwei Jahren) werden durch Tarifverträge oft noch erweitert, so dass manche Arbeitnehmer bis zu vier oder fünf Jahren befristet beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber dafür einen sachlichen Grund bräuchte.
In einem Grundsatzurteil vom heutigen Tage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese tarifliche Regelungsmacht zugunsten der Arbeitnehmer begrenzt: BAG, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 140/15 (Pressemitteilung des Gerichts).
- Tarifverträge können sachgrundlose Befristungen erleichtern - aber bis zu welcher Grenze?
- Der Essener Streitfall: Angestellter von E.ON erhebt nach etwas mehr als zweijähriger befristeter Beschäftigung Entfristungsklage
- BAG: Tarifverträge können sachgrundlose Befristungen bis zu sechs Jahren Gesamtdauer bei höchstens neunmaliger Verlängerung zulassen
Tarifverträge können sachgrundlose Befristungen erleichtern - aber bis zu welcher Grenze?
Arbeitgeber brauchen bei Neueinstellungen keinen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags. Die gesetzliche Grenze für diese aus Arbeitgebersicht "smarte" sachgrundlose Befristung liegt bei zwei Jahren, und bis zu dieser zeitlichen Obergrenze kann man den Vertrag höchstens dreimal verlängern. Der Zweijahreszeitraum kann daher in maximal vier Zeiträume unterteilt werden. Die gesetzliche Regelung ist in § 14 Abs.2 Satz 1 und 2 TzBfG enthalten und lautet:
"Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat."
Im Anschluss an diese Regelung findet sich eine sog. Tariföffnungsklausel, d.h. der Gesetzgeber überlässt es Arbeitgebern und Gewerkschaften, durch einen Tarifvertrag für "ihre" Branche oder "ihr" Unternehmen spezielle Grenzen festzulegen. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit können die Tarifpartner auch zulasten der Arbeitnehmer Gebrauch machen, d.h. sie können die maximale Dauer einer sachgrundlosen Befristung heraufsetzen oder die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen auf mehr als drei festlegen. Diese Regelung lautet (§ 14 Abs.2 Satz 3 und 4 TzBfG):
"Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren."
Vor einigen Jahren hat das BAG entschieden, dass sich die Möglichkeit einer tariflichen Abweichung vom Gesetz sowohl auf die Anzahl der Verlängerungen als auch auf die Höchstdauer der Befristung bezieht, d.h. das Wörtchen "oder" in § 14 Abs.2 Satz 3 TzBfG ist nicht im Sinne von "entweder oder", sondern im Sinne von "und/oder" zu verstehen (BAG, Urteil vom 15.08.2012, 7 AZR 184/11, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/283 Befristung und Tarifvertrag). Eine tarifvertragliche Regelung kann daher z.B. gleichzeitig die Höchstdauer einer befristeten Beschäftigung auf vier Jahre und die Höchstzahl der Vertragsverlängerungen auf sechs heraufsetzen.
An dieser Stelle fragt sich, wo hier die Grenzen der Regelungsmacht der Tarifparteien liegen. Immerhin stehen hinter der arbeitsrechtlichen Grundregel, dass Arbeitsverträge unbefristet sein sollten, Verfassungsprinzipien wie das Sozialstaatsprinzip (Art.20 Abs.1 Grundgesetz - GG) und der Schutz der Berufsfreiheit des Arbeitnehmer (Art.12 Abs.1 GG). Die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung ist daher eine zulasten der Arbeitnehmer gehende Ausnahme von der dem Arbeitnehmerschutz dienenden Regel, dass Arbeitsverträge unbefristet sein sollten. Diese Ausnahmen dürfen auch die Tarifparteien nicht "uferlos" erweitern.
Das ergibt sich auch aus der der „Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge“, die als Anlage und Bestandteil der Richtlinie 1999/70/EG den EU-Staaten vorschreibt, den Missbrauch von befristeten Arbeitsverträge zu begrenzen (§ 5 der Rahmenvereinbarung).
Der Essener Streitfall: Angestellter von E.ON erhebt nach etwas mehr als zweijähriger befristeter Beschäftigung Entfristungsklage
Geklagt hatte ein kaufmännischer Mitarbeiter des Energieunternehmens E.ON, das seinen Arbeitsverträgen üblicherweise einen mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) abgeschlossenen Manteltarifvertrag (MTV) zugrundlegt. Obwohl der Kläger nicht Gewerkschaftsmitglied war, galt der MTV aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auch für ihn bzw. für sein Arbeitsverhältnis. In Ziffer 2.3.1 des MTV war folgende Regelung enthalten:
"Höchstzulässige Befristungsdauer und Anzahl der Verlängerung
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens fünfmalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig."
E.ON hatte mit dem Arbeitnehmer zunächst einen knapp zweijährigen befristeten Arbeitsvertrag vereinbart, und zwar für die Zeit vom 15.01.2012 bis zum 31.12.2013. Im Dezember 2013 vereinbarten die Parteien gestützt auf die tarifliche Erweiterung der Befristungsmöglichkeit eine Verlängerung bis zum 31.03.2014, so dass der befristete Vertrag insgesamt eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren hatte.
Dagegen erhob der Arbeitnehmer Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht Essen, da er die tarifliche Regelung für unwirksam hielt, hatte dort aber keinen Erfolg (Urteil vom 17.07.2014, 5 Ca 590/14). Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gab E.ON Recht, da die tarifliche Höchstgrenze von fünf Jahren für sachgrundlos befristete Verträge seiner Meinung nach verfassungs- und europarechtlich in Ordnung war (LAG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2014, 17 Sa 892/14).
BAG: Tarifverträge können sachgrundlose Befristungen bis zu sechs Jahren Gesamtdauer bei höchstens neunmaliger Verlängerung zulassen
Auch in Erfurt zog der Arbeitnehmer den Kürzeren, denn auch das BAG hielt die streitige Befristung und die hinter ihr stehende tarifvertragliche Regelung für rechtens. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung heißt es zur Begründung:
Die den Tarifparteien durch § 14 Abs.2 Satz 3 TzBfG eingeräumte Gestaltungsmacht ist, so das BAG, aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht schrankenlos. Als konkrete Grenze stellt das BAG hier eine Dreifach-Regel auf: Tarifliche Regelungen können die in § 14 Abs.2 Satz 1 TzBfG festgelegte Höchstdauer von sachgrundlosen Befristungen (zwei Jahre) und die dort festgelegte Höchstzahl von Vertragsverlängerungen (drei Verlängerungen) äußerstenfalls um das Dreifache überschreiten.
Damit haben sich die Erfurter Richter nicht darauf beschränkt, die im Streitfall fragliche tarifliche Regelung des für E.ON geltenden MTV abzusegnen. Vielmehr hat das BAG hiermit eine generelle und klare Grenze gesetzt und damit Rechtssicherheit für künftige Streitfälle geschaffen.
Fazit: Tarifvertragliche Regelungen können auf der Grundlage von § 14 Abs.2 Satz 3 TzBfG für Neueinstellungen
- die zulässige Gesamtdauer einer sachgrundlos befristeten Beschäftigung auf maximal (3 x 2 Jahre =) sechs Jahre und
- die zulässige Anzahl von Vertragsverlängerungen auf maximal (3 x 3 Verlängerungen =) neun Verlängerungen
festsetzen. Überschreiten Tarifverträge diese Grenzen, sind die Regelungen gesetzeswidrig und damit nichtig.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 140/15 (Pressemitteilung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 140/15
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2014, 17 Sa 892/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.08.2012, 7 AZR 184/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
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- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Januar 2019
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